13.09.2010 - Als die Zuständigen in den Bundesligavereinen am ersten Wochenende der neuen Feldhockeysaison nach den Spielen keine Telefonnummer
mit Frankfurter Vorwahl mehr anzurufen hatten, um ihr Spielergebnis durchzugeben, dürfte das zumindest für langjährig amtierende Teammanager eine
ziemliche Umstellung bedeutet haben. Eine noch größere Veränderung ist es auf alle Fälle für denjenigen, der solche Telefonate immer angenommen
und verarbeitet hat. Willi Schäfer (85) beendete mit Abschluss der Feldsaison 2009/10 eine unvergleichliche Arbeit. Fast 50 Jahre lang war der
Frankfurter ehrenamtlich für den Deutschen Hockey-Bund tätig, vor allem im oben beschriebenen Ergebnisdienst. Das Wochenende dient zur Erholung
von der Erwerbstätigkeit, bietet Zeit für Muße, Familie und andere Hobbys. Im Hause Schäfer in Frankfurt am Main konnte davon nur selten die Rede sein.
Sieht man einmal von den wenigen Wochen im Jahr ab, an denen keine Punktspiele auf Bundes-, süddeutscher Regional- oder hessischer Landesebene stattfinden,
so herrschte bei Willi Schäfer am Wochenende immer hektische Betriebsamkeit. Im Durchschnitt 120 Spielergebnisse (bei Doppelspieltagen
in vielen Spielklassen oft noch einige mehr) galt es für ihn zwischen Freitagabend und Sonntagnachmittag in Erfahrung zu bringen, in die entsprechenden
Felder der am Computer vorbereiteten Masken einzugeben und dann via E-Mail diverse Presseorgane sowie via Internet die interessierte Öffentlichkeit mit
Ergebnislisten und Tabellen zu versorgen. „Das ist eigentlich ein richtiger Fulltimejob. Zeit für etwas anderes hat man an solchen Wochenenden nicht.
Aber entweder stellt man sich dieser Aufgabe ganz oder gar nicht“, sagt Willi Schäfer.
Den Hockey-Ergebisdienst "erfunden"
Er hat diesen Job von Anfang an gemacht, hat ihn quasi erfunden. 1962 gab es erstmals eine Art koordinierten Ergebnisdienst, als Willi Schäfer in breitem Stil die
Medien von den Resultaten der ersten Deutschen Hallenmeisterschaft informierte. Von 1964 an wurden die Nachrichtenagenturen dpa und sid von ihm regelmäßig
mit Hockeyergebnissen gefüttert. „Anfangs habe ich die Papierlisten noch mit einem Sachs-Motorrad zu den Redaktionen hingefahren und habe das Telefon
des Nachbarn benutzt, weil wir selbst noch keines hatten“, erinnert Schäfer an Zeiten, die der heutigen Online-Generation abenteuerlich unvorstellbar
erscheinen dürften.Willi Schäfer gehört zu den heute nicht mehr in großer Häufigkeit anzutreffenden Urgesteinen des deutschen Hockeysports.
Der im März 1925 geborene Offenbacher begann mit zwölf Jahren Hockey zu spielen, wurde Torwart im HC Schwarz-Orange Fechenheim. Für seinen Frankfurter Club,
dem er bis zum heutigen Tag treu geblieben ist, hütete er bis 1962 den Kasten und schaffte 13 Berufungen in die hessische Verbandsauswahl.
Dass mit Karl Dröse der zu seiner Zeit führende deutsche Torwart (Mitglied der Olympia-Silbermannschaft 1936) im benachbarten TV 1857 Sachsenhausen
spielte, war ein wenig Pech für die Karriere von Willi Schäfer, der allzu große sportliche Träume bald zugunsten von anderen Hockeyaktivitäten
zurückschraubte. 1946, der Krieg war gerade vorüber, schlug er neben dem Torwartleben die Laufbahn eines Vielfunktionärs ein. Schäfer wurde Trainer,
Schriftwart, Pressewart, Sportwart, Schiedsrichter und war zusammen mit Fritz Rauschenbach und Karl-Heinz Trapper Mitbegründer des Hessischen
Hockey-Verbandes, gehörte dort etlichen Gremien an. Auch im Süddeutschen Hockey-Verband wirkte er als treibende Kraft. Der Sprung auf die Bundesebene
war quasi vorprogrammiert.
Bundesliga-Staffelleiter und Terminkoordinator des DHB
Als der 1909 gegründete Deutsche Hockey-Bund seine Korrespondenzadresse 1970 erstmals in seiner Geschichte nicht mehr an die Hausanschrift des gerade im Amt befindlichen Schriftführers koppelte,
war es Willi Schäfer, der die erste Geschäftsstelle des DHB leitete, wenn auch nur für kurze Zeit. Weitaus länger währten seine Dienste an anderen Stellen.
Schäfer war Staffelleiter der 1969 ins Leben gerufenen Bundesliga (Feld/Herren), gehörte der Technischen Kommission und dem Herrenausschuss an.
Als DHB-Terminkoordinator oblag ihm eine ganz wichtige Funktion in der Abstimmung zwischen internationalen und nationalen Terminen.
„Auch wenn Sie noch so viel meckern, hat das Jahr trotzdem nicht mehr als 52 Wochen“, entgegnete Willi Schäfer einmal mit humorvoller Entschiedenheit
einem Kritiker seiner Rahmenspielpläne.Nach vielen Jahren nahm die Zahl seiner neben dem eigentlichen Beruf als Diplom-Ingenieur (im Bauwesen tätig)
betriebenen Ehrenämter Stück für Stück ab. Den Job als Terminkoordinator übergab Schäfer 2001 nach mehr zwei Jahrzehnten an Frank Selzer.
„Da müssen jetzt Jüngere ran“, so „Hockey-Schäfer“ (Selbstbeschreibung), der sein Wirken immer mehr auf das Pressewesen als Korrespondent der Deutschen
Hockey-Zeitung, verschiedener Frankfurter Tageszeitungen und der Agenturen sowie eben auf den Bundesliga-Ergebnisdienst reduzierte.Alleine Letzteres
erforderte den ganzen Mann. Und vor allem gute Nerven. Denn mit der Disziplin der Zuständigen in den Bundesligavereinen war es nicht immer zum Besten
bestellt. Anstatt unmittelbar nach Spielende das Resultat durchzugeben, wie es die Bestimmungen des Dachverbandes verlangten, ließen manche Teammanager
den Ergebnismann in Frankfurt schmoren. Erst musste auf einen Sieg angestoßen oder eine Niederlage verdaut werden, ehe man sich ans Telefon klemmte.
Willi Schäfer kannte seine Pappenheimer. Weil aber jede Minute kostbar war, hat er sich viele Ergebnisse selbst geholt, indem er in den Clubhäusern
anrief – „immer auf eigene Kosten“, wie er betont.„Die Disziplin der Vereine hat sich im Lauf der Jahre verbessert, vor allem seit Bußgelder
bei Unterlassung der Ergebnismeldung eingeführt wurden“, sagt der Frankfurter. Und als ob 1. und 2. Bundesliga bei Damen und Herren, in Feld und in der
Halle, nicht schon ein ausreichendes Pensum darstellen würden, war Schäfer auch Ergebnis-Anlaufstelle für einige süddeutsche Regionalligen und alle
Spielklassen seines Stammlandes Hessen. Seinen Urlaub hatte der Frankfurter über Jahrzehnte hinweg am Rahmenspielplan der Bundesliga ausgerichtet –
auch dies, wie die stressigen Ergebnis-Wochenenden selbst, ein Zugeständnis der Familie. „Ich hatte großes Glück, dass meine Frau Käthe das alles so
lange mitgemacht hat“, bekennt Willi Schäfer. Zeitweise half auch Sohn Manfred (58), der es in seiner aktiven Hockeyzeit sogar zu einer Berufung in
die Junioren-Nationalmannschaft brachte, beim Ergebnisdienst mit. „Ich breche nicht in Tränen aus, dass jetzt für mich Schluss ist. Mit 85 ist eine
Grenze erreicht“, sagt Schäfer über sein altersbedingtes Ausscheiden aus der Bundesliga-Ebene. Dort sollen die Spielresultate künftig von den jeweiligen
Schiedsrichtern direkt in die Datenbank eingegeben werden.
Die grauen Zellen ständig auf Trab gehalten
Die Jahre sind auch an Willi Schäfer nicht spurlos vorüber gegangen. Gesundheitlich die größten Probleme bereitet ihm die nachlassende Sehkraft, die Schäfer auf seinen Diabetis zurückführt.
Nur noch mit extrem starken Brillengläsern, eigentlich bereits Lupen, kann der 85-Jährige lesen oder am PC arbeiten. Das Steuern eines Autos hat er vor
einiger Zeit schon eingestellt. „Bis auf den Zucker und die Augen fühle ich mich gut“, sagt er und gewinnt seinen Tätigkeiten als Gutachter für
Grundstücke und Gebäude sowie natürlich seinem Hobby Hockey bei aller Belastung gute Seiten ab: „Meine grauen Zellen arbeiten noch,
weil sie ständig auf Trab gehalten worden sind.“Auszeichnungen für sein unvorstellbar langes Engagement hat Willi Schäfer auf allen Hockeyebenen erhalten.
Goldene Ehrennadeln wurden ihm vom DHB, vom Landesverband Hessen und seinem Fechenheimer Verein verliehen, vom hessischen Landessportbund gab es den
Ehrenbrief. 2001 erhielt er mit der Paul-Reinberg-Plakette die höchste Auszeichnung, die der Deutsche Hockey-Bund gemäß seiner Ehrungsordnung zu
vergeben hat (Foto oben). Von Seiten des DHB ist geplant, die eigentlich bereits anlässlich der Champions Trophy im August 2010 in Mönchengladbach
vorgesehene offizielle Verabschiedung Willi Schäfers nachzuholen.